1 Einleitung

Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) werden in Deutschland sowohl an Förderschulen als auch inklusiv an allgemeinen Schulen unterrichtet. Entscheidende Grundlagen für den inklusiven Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit und ohne SPF an allgemeinen Schulen waren unter anderem die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention und Umstrukturierungen im deutschen Bildungswesen (KMK 2016; Vereinte Nationen 2008). Die inklusive Beschulung ist demnach ein bildungspolitischer Auftrag, dessen Diskurs durch bildungspolitische Empfehlungen, Bildungsberichterstattung und Forschungsarbeiten von verschiedenen Institutionen flankiert wird (z. B. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 2018; KMK 2011; Vereinte Nationen 2015). Inklusive Bildung soll unter anderem zur aktiven Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler an der Gesellschaft beitragen (KMK 2011) und eine unabhängige Lebensführung in der Gemeinde erleichtern (Vereinte Nationen 2015). In diesem Zusammenhang wird unter anderem argumentiert, dass durch den Kontakt mit unterschiedlichen Kindern diskriminierende Haltungen abgebaut werden und die Grundlage für eine inklusive Gesellschaft geschaffen werden kann (UNESCO Kommission 1994).

Die soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF in die Gesellschaft kann daher als ein Ziel der Bemühungen um Inklusion betrachtet werden. Dies deckt sich auch mit den Erwartungen der Eltern, die sich in Initiativen für die Möglichkeit der Inklusion einsetzten. Sie erhofften sich einen positiven Einfluss auf das Sozialverhalten ihrer Kinder (Dumke et al. 1989) und dass durch den Besuch einer allgemeinen Schule Kontakte zu Kindern aus der Nachbarschaft entstehen und dies insgesamt zu einer höheren sozialen Integration führt (de Boer et al. 2010; Klicpera 2007; Scheepstra 1998, siehe auch Nakken und Pijl 2002).

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was dieses übergreifende Ziel, die Schülerinnen und Schüler mit SPF durch die inklusive Beschulung sozial in die Gesellschaft zu integrieren, für die einzelnen Schülerinnen und Schüler bedeutet. Bereits 42 % aller Kinder mit SPF werden an allgemeinen Schulen anstelle von Förderschulen unterrichtet (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Aber sind Schülerinnen und Schüler mit SPF an allgemeinen Schulen im Schulalltag genauso sozial integriert wie an Förderschulen? Aus theoretischer Perspektive können hier verschiedene Argumente aufgeführt werden: Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse (Festinger 1954) legt nahe, dass Schülerinnen und Schüler, die ihrer Bezugsgruppe in relevanten Dimensionen ähnlich sind, besser sozial integriert sein sollten. Im integrationspädagogischen Ansatz wird argumentiert, dass in besonders heterogenen Lernumfeldern die soziale Integration höher sein sollte, da keine zur Ausgrenzung führenden Merkmale einzelner Schülerinnen und Schüler herausstechen. Beide Ansätze beschreiben den Kontext als relevante Dimension für die soziale Integration. Betrachtet man nun das Umfeld Schule, so bilden schulische Kompetenzen eine im schulischen Alltag besonders relevante Dimension von Vergleichsprozessen. Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich bezüglich ihrer Kompetenzen jedoch sowohl innerhalb und zwischen Klassen als auch zwischen Schulen und Schulformen (Stanat et al. 2016, 2017). Diese Unterschiede in den schulischen Kompetenzen können auch mögliche Unterschiede in der sozialen Integration beeinflussen.

Zur sozialen Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF an allgemeinen Schulen im Vergleich mit Förderschulen gibt es in Deutschland und international verschiedene Studien. Im internationalen Forschungsstand zeigt sich ein uneinheitliches Bild: Einige Studien finden eine günstigere soziale Integration an Förderschulen (Szumski und Karwowski 2014), andere an allgemeinen Schulen (Oh-Young und Filler 2015; Wiener und Tardif 2004). Für Deutschland liegt bislang nur eine Studie für ein Bundesland vor, in welcher kein Unterschied zwischen den Schulformen gezeigt werden kann (BiLieF-Studie: Schwinger et al. 2020; Wild et al. 2015). Inwiefern diese Ergebnisse auf die Situation in Deutschland übertragbar sind, ist ungeklärt, da sich die Umsetzung von Inklusion in den Ländern unterscheidet und es bislang keine bundeslandübergreifenden Studien zum Vergleich der sozialen Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF zwischen den Schulformen gibt. Auch für eine internationale Betrachtungsweise ist eine bundesweite Betrachtung nötig.

Dieses Desiderat aufgreifend untersuchen wir in diesem Beitrag, ob sich die durch Selbsteinschätzungen erfasste soziale Integration von Kindern mit SPF an Förderschulen und allgemeinen Schulen unterscheidet und ob durch die individuellen Kompetenzen sowie die Kompetenzen auf Klassenebene potenzielle Unterschiede erklärt werden. Im Mittelpunkt stehen Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten „Lernen“, „Sprache“ und „emotionale und soziale Entwicklung“ (LSE). Für die nachfolgenden Analysen werden die Daten des bundesweit in der vierten Jahrgangsstufe durchgeführten IQB-Bildungstrends 2016 verwendet (Stanat et al. 2017).

Die Bedeutung der Befunde wird vor dem Hintergrund der allgemeinen Debatte zur Umsetzung von Inklusion diskutiert. Sie leistet somit einen Beitrag zur Diskussion über die Folgen separierter und inklusiver Beschulungsformen in Deutschland.

2 Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand

2.1 Soziale Integration und sonderpädagogischer Förderbedarf

In diesem Beitrag steht die soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF im Mittelpunkt. Soziale Integration wird hierbei als eine der wesentlichen pädagogischen Dimension des übergreifenden Konzepts der Integration verstanden (Haeberlin et al. 1989; Venetz 2014). In der Literatur werden verschiedene konzeptionelle Zugänge zur Definition von sozialer Integration unterschieden (vgl. Bossaert et al. 2013; Koster et al. 2009): (1) soziale Beziehungen von Kindern mit und ohne SPF untereinander, (2) die Akzeptanz von Kindern mit SPF durch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, (3) das Vorhandensein positiver sozialer Kontakte und Interaktionen von Kindern mit und ohne SPF sowie (4) die Wahrnehmung von Angenommensein (Bossaert et al. 2013; Koster et al. 2009). Möchte man diese empirisch untersuchen, gibt es verschiedene Zugänge: Die ersten drei Aspekte werden üblicherweise anhand der Anzahl oder Qualität von Freundschaften oder sozialen Interaktionen erfasst (z. B. in Frostad und Pijl 2007). Um den vierten Aspekt zu untersuchen, die Wahrnehmung des Angenommenseins, wird hingegen häufig auf Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler zurückgegriffen (z. B. in Doubt und McColl 2003; Haeberlin et al. 1989; Venetz et al. 2014). Hier werden die Schülerinnen und Schüler quasi als Expertinnen und Experten ihrer eigenen Situation betrachtet (vgl. Venetz et al. 2014). Im Mittelpunkt stehen ihre subjektiven Eindrücke und Gefühle in Bezug auf die eigene soziale Situation in der Schule oder Klasse (vgl. auch Schwab 2014). Dieser vierte Zugang bildet auch die Grundlage des vorliegenden Beitrags und wir verstehen unter sozialer Integration die von einer Person wahrgenommene soziale Akzeptanz seitens ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler.

Nach der Definition der Kultusministerkonferenz (KMK) haben Kinder und Jugendliche einen SPF, „die in ihren Bildungs‑, Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten so beeinträchtigt sind, dass sie im Unterricht der allgemeinen Schule ohne sonderpädagogische Unterstützung nicht hinreichend gefördert werden können“ (KMK 1994, S. 5). Dabei werden acht Förderschwerpunkte beschrieben, wobei Lernen, Sprache, geistige Entwicklung sowie emotionale und soziale Entwicklung die am häufigsten vertretenen Förderschwerpunkte sind (KMK 2018). Von diesen Schülerinnen und Schülern mit SPF wurden an allgemeinen Schulen im Jahr 2016 vor allem diejenigen mit einem Förderschwerpunkt in emotionale und soziale Entwicklung (56 %), Lernen (49 %), Sprache (47 %), Hören (46 %), Sehen (44 %) sowie körperliche und motorische Entwicklung (35 %) unterrichtet (KMK 2018). In unserem Beitrag konzentrieren wir uns auf die drei Förderschwerpunkte Lernen, Sprache, und emotionale und soziale Entwicklung (kurz: LSE). Sie weisen häufig deutlich geringere akademische Leistungen auf und zeigen auch häufiger Verhaltensauffälligkeiten, welche von Lehrkräften als besonders belastend empfunden werden (z. B. Inversini et al. 2008; Klusmann et al. 2006).

2.2 Soziale Integrationsprozesse im Schulkontext

Um zu verstehen, wie soziale Integrationsprozesse ablaufen und warum sich die soziale Integration als Resultat dieser Prozesse an den Schulformen unterscheiden kann, wird häufig die Theorie der sozialen Vergleichsprozesse (Festinger 1954) herangezogen (z. B. Haeberlin et al. 2003; Huber 2009). Die Theorie besagt, dass Personen sich selbst evaluieren und mehr über ihre eigenen Fähigkeiten und Meinungen herausfinden, indem sie sich mit anderen Menschen vergleichen und sich somit in das soziale Gefüge einer Gruppe einordnen können. Hierbei werden bevorzugt Vergleiche mit ähnlichen Personen angestellt, da sich daraus genauere Schlüsse über die eigenen Fähigkeiten und Einstellungen ziehen lassen als aus Vergleichen mit unähnlicheren Personen (Ähnlichkeitshypothese, vgl. Frey et al. 1993). Befinden sich in der Bezugsgruppe einer Person jedoch lediglich Personen, die ihr bezüglich relevanter Dimensionen unähnlich sind, fällt es ihr schwerer, sich selbst in der Gruppe zu verorten. Der Theorie der sozialen Vergleichsprozesse zufolge wird diese Person daher versuchen, sich der Gruppe anzugleichen. Gelingt dies nicht, wird sie entweder bestrebt sein, die Gruppe zu verlassen oder wird sich aufgrund ihrer wahrgenommenen Unterschiedlichkeit aus der Gruppe ausgeschlossen fühlen (Festinger 1954; Frey et al. 1993).

Im schulischen Kontext gibt es verschiedene Kompetenzen und Merkmale der Schülerinnen und Schüler, die für soziale Vergleichsprozesse bedeutsam sein können. Im Folgenden wird der Fokus insbesondere auf die akademischen Leistungen gelegt, da leistungsorientiertes Verhalten in diesem Kontext positiv bewertet wird. Schülerinnen und Schüler mit SPF, welche laut Definition der KMK sonderpädagogisch gefördert werden, um den Anforderungen des regulären Unterrichtgeschehens gerecht zu werden (KMK 1994), weisen im Allgemeinen geringere Kompetenzen auf als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne SPF (z. B. Huber 2009; Schwab et al. 2013) und haben somit einen Nachteil bei leistungsbezogenen Selbstvergleichen. Gerade allgemeinen Schulen wird eine höhere Leistungsorientierung nachgesagt: Höhere Leistungen werden aufgrund beispielsweise selbstständigem, schnellem und fehlerfreiem Lösens von Unterrichtsaufgaben mit positivem Lehrkräftefeedback in Form von guten Noten oder anderen positiven Sanktionen wie Zuwendung und Sympathie belohnt. Hingegen folgen auf fehlende schulische Kompetenzen schlechte Noten und negative Reaktionen von Lehrkräften oder Mitschülerinnen und Mitschülern (vgl. Haeberlin et al. 2003).

Folgt man der Theorie der sozialen Vergleichsprozesse, sind folgende Zusammenhänge denkbar: An Förderschulen, in denen Schülerinnen und Schüler mit SPF unterrichtet werden, bietet die Bezugsgruppe einem Kind oder einem Jugendlichen mit SPF die Möglichkeit sich mit ähnlichen Personen, nämlich anderen Schülerinnen und Schülern mit SPF, zu vergleichen. An allgemeinen Schulen, an denen nur wenige Kinder und Jugendliche mit SPF gemeinsam mit vielen Mitschülerinnen und Mitschülern ohne SPF unterrichtet werden, ist es dagegen für eine Schülerin oder einen Schüler mit SPF schwerer, eine ihm ähnliche Person für einen Vergleich zu finden (Frostad und Pijl 2007). Darüber hinaus werden vor allem leistungsbezogene Vergleiche eher selten zu einer positiven Selbstwertverortung führen. Der Kontext der Bezugsgruppe – Förderschulen oder allgemeine Schulen – sollte daher einen Einfluss auf die aus den Vergleichsprozessen resultierende wahrgenommene soziale Integration der Schülerinnen und Schüler mit SPF haben.

Ergänzend zu der Theorie der sozialen Vergleichsprozesse wird im integrationspädagogischen Ansatz eine weitere Erklärung für gelingende soziale Integration diskutiert: die Theorie integrativer Prozesse (z. B. Hinz 1998; Prengel 1999; Reiser et al. 1986; Wocken 1987). Hierbei wird davon ausgegangen, dass sich Schülerinnen und Schüler einer Klasse bezüglich vieler Merkmale wie Alter, Geschlecht, Leistung, kulturelle Herkunft, Einkommensmilieu oder Familienstruktur voneinander unterscheiden (Prengel 1999). Im Rahmen der Theorie integrativer Prozesse wird argumentiert, dass je heterogener eine Gruppe bezüglich dieser Merkmale ist, desto weniger Ausgrenzungsprozesse zu erwarten sind, da individuelle Unterschiede einer Person zur Gruppe aufgrund der Vielfältigkeit der Gruppe nicht mehr zum Tragen kommen. Es wird also angenommen, dass Heterogenität die soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF begünstigt, da kein Druck erzeugt wird, sich einer Mehrheit anzupassen (z. B. Prengel 1999; Wocken 1987). Übertragen auf Schülerinnen und Schüler mit SPF ist bekannt, dass sich Kinder in Förderschulklassen mit Blick auf die schulischen Kompetenzen im Mittel ähnlicher, also leistungshomogener sind, als Grundschulklassen (Wild et al. 2015). Schülerinnen und Schüler mit SPF würden sich demnach in der leistungsheterogeneren Umgebung an allgemeinen Schulen stärker sozial integriert fühlen als in der leistungshomogeneren Umgebung an Förderschulen. In der Theorie integrativer Prozesse werden viele verschiedene Merkmale der Heterogenität aufgeführt. Da Schulen jedoch auch unter integrationspädagogischer Sicht weiterhin damit beauftragt sind grundlegende Kulturtechniken und Qualifikationen für das künftige Berufsleben zu vermitteln, wird auch hier den schulischen Kompetenzen eine besondere Bedeutung beigemessen (vgl. Haeberlin et al. 2003).

2.3 Forschungsstand

Sowohl international als auch im deutschen Sprachraum ist bereits erforscht, wie sozial integriert Schülerinnen und Schüler mit und ohne SPF im gemeinsamen Unterricht sind. Wiederholt konnte gezeigt werden, dass Schülerinnen und Schüler mit SPF an allgemeinen Schulen stärker von sozialer Ausgrenzung betroffen sind als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne SPF (z. B. Cambra und Silvestre 2003; De Monchy et al. 2004; Frostad und Pijl 2007; Huber 2008, Schwab et al. 2013; Meta-Analysen: Bless 2000; Kavale und Forness 1996; Nowicki 2003). In einem aktuellen Forschungsüberblick von Bless (2017) wird diese breite Befundlage für allgemeine Schulen nochmals bestätigt.

Betrachtet man hingegen nur Kinder und Jugendliche mit SPF und hier die verschiedenen Beschulungsformen, ist die Befundlage uneinheitlich: In der US-amerikanischen und kanadischen Literatur wird von einer höheren sozialen Integration zugunsten der Schülerinnen und Schüler mit SPF im gemeinsamen Unterricht im Gegensatz zu teilweisen oder vollständig separat stattfindenden Unterrichtsformen berichtet (Oh-Young und Filler 2015; Wiener und Tardif 2004). In einer polnischen Studie zeigt sich hingegen, dass Schülerinnen und Schüler mit SPF an Förderschulen besser sozial integriert sind als dies an allgemeinen Schulen der Fall ist (Szumski und Karwowski 2014). Für die Niederlande konnten Bakker et al. (2007) wiederum keine Unterschiede zwischen den Schulformen für die soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF feststellen. Die international uneinheitliche Befundlage kann einerseits mit der unterschiedlichen Organisation nationaler Bildungssysteme zusammenhängen (Werning 2014; Werning und Lütje-Klose 2016) und andererseits auch mit den verschiedenen Operationalisierungen des Konzepts der sozialen Integration. Für Deutschland ist uns nur eine Studie bekannt, die die soziale Integration von Kindern und Jugendlichen mit SPF an Förderschulen mit denjenigen im gemeinsamen Unterricht vergleicht: Die in Nordrhein-Westfalen realisierte BiLieF-Studie. Hier konnten unter Berücksichtigung der kognitiven Grundfähigkeiten keine Unterschiede hinsichtlich der sozialen Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF im Förderschwerpunkt Lernen an allgemeinen Schulen und Förderschulen gefunden werden (Wild et al. 2015; Schwinger et al. 2020). Erweitert man den Blick von der sozialen Integration in der Klasse und betrachtet darüber hinaus das gesamte Schulumfeld, so gibt es auch Hinweise darauf, dass Jugendliche mit einer Gefühls- oder Verhaltensstörung am Gymnasium das Schulklima negativer wahrnehmen als vergleichbare Schülerinnen und Schüler an Förderschulen (Casale und Hennemann 2019). Ob die Etikettierung des SPF selbst, also die Zuweisung des Status als ein Kind mit SPF, unabhängig von sonstigen schulischen Ausgangslagen, die soziale Integration an allgemeinen Schulen beeinflusst, ist umstritten. In der Studie von Henke et al. (2017) bestätigte sich diese Annahme für Grundschulen mit gemeinsamen Unterricht nicht.

Neben der BiLieF-Studie ist für Deutschland bislang keine bundesweite Studie zur sozialen Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF an Förderschulen im Gegensatz zu allgemeinen Schulen bekannt; die internationale Befundlage ist uneinheitlich. Ergänzend können allerdings verschiedene Teilargumente entlang der Theorie sozialer Vergleichsprozesse (Festinger 1954) empirisch gestützt werden. So haben wir zuvor argumentiert, dass abgeleitet aus Festingers Theorie die akademischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Schulalltag als Dimension für Vergleiche herangezogen werden können. Das Resultat dieser selbst angestellten Kompetenzvergleiche kann dann wiederum beeinflussen, wie sozial integriert sich eine Schülerin oder ein Schüler fühlt. In einigen Studien konnte der Zusammenhang zwischen schulischen Kompetenzen und sozialer Integration bereits gezeigt werden; höhere schulische Kompetenzen gehen mit einer höheren sozialen Integration einher (z. B. DeVries et al. 2018; Haeberlin et al. 2003; Huber 2006; Huber und Wilbert 2012; Malecki und Elliot 2002). Empirisch zeigt sich auch, dass die leistungsbezogene Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler mit SPF an den Schulformen unterschiedlich ist und diese an Förderschulen geringer schulische Kompetenzen aufweisen als vergleichbare Schülerinnen und Schüler an allgemeinen Schulen (Kocaj et al. 2014, 2017; Wild et al. 2015). Demzufolge sind auch Unterschiede der sozialen Integration zwischen den Schulformen denkbar.

Mit Blick auf die Theorie integrativer Prozesse konnten unterschiedliche Zusammenhänge zwischen der Heterogenität einer Klasse und der sozialen Integration gefunden werden. Teilweise zeigte sich, dass schulleistungsschwache Schülerinnen und Schüler in leistungsheterogenen Klassen häufiger zur Gruppe der Unbeliebten und Abgelehnten gehören als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler (Haeberlin et al. 2003; Huber 2006). Es zeigte sich also entgegen der theoretisch postulierten Zusammenhänge ein negativer Zusammenhang zwischen Heterogenität und sozialer Integration. In einer weiteren Studie konnte kein Hinweis für den Einfluss der Lerngruppenheterogenität auf die soziale Integration von Schülern mit SPF im gemeinsamen Unterricht gefunden werden (Huber 2009). Eine mögliche Erklärung dafür, dass die Theorie der integrativen Prozesse nicht bestätigt wird, liegt in der jeweiligen Operationalisierung (vgl. Huber 2006). Heterogenität wurde teilweise über die Beschulungsform in einer Regelklasse als heterogenes Umfeld oder Hilfsklasse (nur Kinder mit SPF) als homogenes Lernumfeld erfasst (Haeberlin et al. 2003); über die Klassenvarianz der kognitiven Grundfähigkeiten (Huber 2006) oder über ein zusammengefasstes Klassen-varianzmaß mit insgesamt elf verschiedenen Faktoren wie u. a. Alter, Intelligenz, Schulleistung, Konzentration oder Sozialkompetenz (Huber 2009). Die soziale Integration wurde in diesen Studien zudem über die soziometrische Stellung in der Klasse erfasst und bildet nicht die Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler ab, sondern eine durch die Peers bescheinigte soziale Stellung in der Klasse. Inwiefern die selbstwahrgenommene soziale Integration durch die Heterogenität beeinflusst wird, wurde bislang nicht geprüft. Gleichfalls wurde die Rolle der leistungsbezogenen Heterogenität in diesen Studien nicht in den Vordergrund gestellt.

2.4 Fragestellungen und Hypothesen

In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob sich die soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF der Förderschwerpunkte LSE in den Schulformen unterscheidet und ob die Berücksichtigung sowohl individueller Kompetenzen als auch der Heterogenität der Kompetenzen in Klassen potenzielle Unterschiede erklären. Es werden drei Teilfragen bearbeitet:

  1. 1.

    Unterscheidet sich die wahrgenommene soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF an Förderschulen und allgemeinen Schulen?

    Ausgehend von der Theorie der sozialen Vergleichsprozesse erwarten wir, dass sich Schülerinnen und Schüler mit SPF sozial integrierter fühlen, wenn sie an Förderschulen anstatt allgemeinen Schulen unterrichtet werden, da sie dort ihrer Bezugsgruppe ähnlicher sind (H1).

  2. 2.

    Inwiefern können Unterschiede in der wahrgenommenen sozialen Integration zwischen Schülerinnen und Schülern mit SPF an allgemeinen Schulen und Förderschulen durch Unterschiede in der individuellen Kompetenz erklärt werden?

    Es ist bekannt, dass Schülerinnen und Schüler mit SPF an allgemeinen Schulen geringere Kompetenzen aufweisen als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne SPF. Auch weisen diese Schülerinnen und Schüler mit SPF, resultierend aus ungünstigen Vergleichen zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne SPF, eine geringere soziale Integration auf (z. B. Schwab et al. 2013). Unter Kontrolle der Leistungen sollte die soziale Integration dieser Kinder an allgemeinen Schulen daher höher sein; an Förderschulen hingegen gleich bleiben. Der Unterschiede der wahrgenommenen sozialen Integration der Schülerinnen und Schüler mit SPF verringert sich daher zwischen Förderschulen und allgemeinen Schulen, wenn die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden (H2).

  3. 3.

    Inwiefern können Unterschiede der wahrgenommenen sozialen Integration zwischen Schülerinnen und Schülern mit SPF an allgemeinen Schulen oder an Förderschulen durch Unterschiede in der leistungsbezogenen Zusammensetzung der Klassen erklärt werden?

    Angelehnt an die Theorie integrativer Prozesse sollte die Heterogenität einer Klasse einen positiven Einfluss auf die soziale Integration haben; die empirische Befundlage ist hierzu uneinheitlich. In diesem Beitrag wird geprüft, ob die leistungsbezogene Heterogenität einen eigenen Effekt auf die soziale Integration der Schülerinnen und Schüler mit SPF hat (H3.1) und ob die leistungsbezogene Heterogenität einer Klasse einen Beitrag zur Erklärung potenziell bestehender Unterschiede zwischen allgemeinen Schulen und Förderschulen leistet (H3.2).

3 Methoden

3.1 Datengrundlage

Die Grundlage der Analysen bilden die Daten des bundesweit in der vierten Klasse durchgeführten IQB-Bildungstrends 2016 (Stanat et al. 2017). Zusätzlich zu den im Frühjahr 2016 erhobenen Kompetenztests in Lesen, Zuhören, Orthografie und Mathematik bearbeiteten die Schülerinnen und Schüler Fragebögen, in welchen auch die von ihnen wahrgenommene soziale Integration erfasst wurde. Die Bearbeitung der Kompetenztests und Fragebögen fand im Klassenverband während des regulären Schulbetriebs zu Beginn eines Unterrichtstages statt. Die Durchführung oblag hierbei geschulten Testleiterinnen und Testleitern (siehe hierzu auch Rjosk et al. 2017). Für Schülerinnen und Schüler mit SPF wurden angepasste Kompetenztests in Lesen, Zuhören und Mathematik entwickelt, erprobt und schließlich im Bildungstrend 2016 eingesetzt (Böhme et al. 2017).

An allgemeinen Schulen wurden stets alle Kinder einer Klasse befragt. An Förderschulen wurden alle Schülerinnen und Schüler einbezogen, die in den Förderschwerpunkten LSE in der vierten Jahrgangsstufe an der gezogenen Schule unterrichtet wurden. Dies bedeutet, dass an Förderschulen Schülerinnen und Schüler mehrerer Klassen, allerdings keine Kinder anderer Förderschwerpunkte als LSE einbezogen wurden. Zudem mussten die Kinder, sowohl an Förderschulen als auch an allgemeinen Schulen, mindestens ein Jahr Unterricht in deutscher Sprache erhalten haben und generell in der Lage sein, den Test selbstständig zu bearbeiten (Rjosk et al. 2017). An Förderschulen ergaben sich als Folge der Zuordnung der Kinder zu den angegebenen Klassen anstatt Testgruppen, anschließend Klassen, mit nur sehr wenigen Schülerinnen und Schülern. Es gab beispielsweise 34 Klassen mit lediglich ein oder zwei Kindern. In unserer Studie wurden unter anderem auch Angaben von Schülerinnen und Schülern einer Klasse aggregiert, um den Klassenkontext der Kinder mit SPF abzubilden. Da bei sehr wenigen Schülerinnen und Schülern keine Klasseninformation auf der Aggregatebene gebildet werden kann, wurden nur Klassen mit mindestens vier Schülerinnen und Schülern für die Analysen ausgewählt (vgl. auch Kocaj et al. 2020)Footnote 1.

In dieser Untersuchung wurden zudem nur Fälle berücksichtigt, für die Kompetenztestdaten in Lesen und in Mathematik vorliegen. Dies führte zum Ausschluss von 724 Schülerinnen und Schülern von denen lediglich Daten zu Lesekompetenzen vorlagen und 680 Schülerinnen und Schülern mit lediglich Mathematikkompetenzdaten, was jeweils einem Anteil von etwa 2,5 % der Gesamtstichprobe der Daten des IQB-Bildungstrends 2016 entspricht. Schülerinnen und Schüler, für die keine Angaben zum Förderschwerpunkt vorliegen, mit komorbiden Förderbedarfen oder die einen Förderschwerpunkt außerhalb von LSE aufwiesen, wurden aus den Analysen ausgeschlossen (insgesamt 502 Fälle; 1,8 % der Gesamtstichprobe). So konnten 1924 Fälle von Schülerinnen und Schülern mit SPF der Förderschwerpunkte LSE einbezogen werden (vgl. Tab. 1), von denen 47,1 % den Förderschwerpunkt Lernen aufwiesen, 36,3 % Sprache und 16,6 % emotionale und soziale Entwicklung. An Förderschulen waren es 147 Klassen an 89 Schulen, an allgemeinen Schulen 513 Klassen an ebenso vielen Schulen, in denen mindestens ein Kind einen SPF in LSE aufwies. Die mittlere Klassenstärke betrug an Förderschulen 9,8, an allgemeinen Schulen 19,7 Schülerinnen und Schüler. Für die Merkmale auf Klassenebene wurden insgesamt 26.899 Angaben von Schülerinnen und Schülern aus 1538 Klassen verwendet (vgl. Tab. 2).

3.2 Operationalisierung und Variablen der Studie

Die soziale Integration wurde durch eine Skala mit vier Items erfasst (z. B. „Ich bin beliebt in meiner Klasse“) und ist eine Eigenentwicklung des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (Schipolowski et al. 2019) in Anlehnung an die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) 2006 (Bos et al. 2010). In vier Abstufungen von „stimmt gar nicht“ bis „stimmt genau“ wurde für jedes Item der Grad der Zustimmung abgefragt, wobei die Kodierung so gewählt wurde, dass hohe Zahlen eine hohe Zustimmung zu den Items und demnach eine hohe wahrgenommene soziale Integration anzeigen. Das Cronbachs Alpha von Schülerinnen und Schülern mit SPF liegt an allgemeinen Schulen bei 0,75, an Förderschulen bei 0,72. Die Messinvarianz für Kinder mit und ohne SPF wurde analog zum Vorgehen in Schwab und Helm (2015) geprüft. Hierbei wurde mit der am wenigsten restriktiven Form der Messinvarianz (konfigurale Messinvarianz) begonnen und mittels χ2-Differenztest geprüft ob das jeweils restriktivere, genestete Modell (metrische, skalare, strikte und volle Invarianz) passt (z. B. skalare Invarianz: CFI = 0,97, RMSEA = 0,07; volle Invarianz: CFI = 0,95, RMSEA = 0,07). Die Modellvergleiche wurden auf Basis der rule of thumb nach Chen (2007) beurteilt (ΔCFI ≤ . |0,02|; ΔRMSEA ≤ 0,015). Entsprechend dieser Kennwerte sind die Kriterien für konfigurale, metrische und skalare, sowie strikte und volle Messinvarianz erfüllt.

Informationen zum diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf mit Angaben zum Förderschwerpunkt wurden von der für die Studie zuständigen Schulkoordination eingeholt. Die schulischen Kompetenzen wurden über standardisierte Test erhoben; dies ist auch in anderen Studien, die soziale Integration fokussieren, ein etabliertes Vorgehen (u. a. Haeberlin et al. 2003; Huber 2006; Schwab et al. 2013). Die alternative Benutzung von Noten ist nicht zu empfehlen, da Schülerinnen und Schüler mit SPF aufgrund ihres Förderschwerpunktes teilweise nach anderen Lernzielen bewertet werden (KMK 1999). In dieser Studie wurden die Lese- und Mathematikkompetenzen entsprechend der KMK-Bildungsstandards operationalisiert und analog der Item Response Theorie (IRT) skaliert. Für die Analysen wurden Plausible Values verwendet (Weirich et al. 2017). Die globale Mathematikkompetenz wurde hierbei über alle fünf in den KMK-Bildungsstandards definierten inhaltsbezogenen Kompetenzen „Zahlen und Operationen“, „Raum und Form“, „Muster und Strukturen“, „Größen und Messen“ und „Daten, Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit“ erfasst (Winkelmann und Robitzsch 2009).

Als Maß für die Heterogenität einer Klasse wurde die Klassenvarianz der Mathematik- und Lesekompetenzen unter Kontrolle der individuellen Ausprägungen und Klassenmittelwerte analysiert. Als Kontrollvariable wurde ein Indikator für den sozioökonomischen Status (SES) herangezogen. Dieser wurde aus den Informationen zu beruflichen Tätigkeiten, Einkommen und Bildungsniveau von Mutter und Vater gebildet, von den Eltern selbst erfragt und anhand des Socio-Economic Index of Occupational Status (ISEI) klassifiziert. Hierbei wurde jeweils der höchste ISEI-Wert der Eltern (Vater oder Mutter) herangezogen (Highest ISEI (HISEI) nach Ganzeboom et al. 1992; Ganzeboom 2010). Als Kontrollvariablen wurden zusätzlich zum HISEI und den Klassenmittelwerten der Kompetenzen das Geschlecht und das Alter der Schülerinnen und Schüler herangezogen, die durch Angaben der Lehrkräfte erfasst wurden.

Zur Imputation fehlender Werte der Fragebogendaten wurde das Verfahren Multivariate Imputation by Chained Equations verwendet, welches im Paket mice (Van Buuren 2007; Van Buuren und Groothuis-Oudshoorn 2011) für die Statistiksoftware R implementiert ist. Das Auftreten von fehlenden Werten der Skala zur sozialen Integration lag in der Zielstichprobe vor der Imputation an allgemeinen Schulen bei 16 %, an Förderschulen bei 12 %. Die Angaben zu Alter und Geschlecht waren nahezu vollständig, lediglich an Förderschulen fehlten jeweils 0,2 %. Die Daten zum sozioökonomischen Status lagen an allgemeinen Schulen mit 45 % und an Förderschulen mit 43 % fehlenden Werten vor. Die Darstellung der methodischen Vorgehensweise bei der Imputation und Ziehung der Plausible Values für diese Daten findet sich in Weirich et al. (2017).

3.3 Analysen

Zur Beschreibung von Gruppenunterschieden und zur Vergleichbarkeit der Höhe der Effekte der unterschiedlich skalierten Variablen wurden für Häufigkeitsverteilungen z‑standardisierte Mittelwerte und die Standardabweichung verwendet. Um die Signifikanz von Unterschieden zu testen, wurden mittels T‑Tests im R‑Paket eatRep (Weirich et al. 2019) p-Werte berechnet. Zur Einschätzung der Bedeutsamkeit von Unterschieden werden nach den Konventionen von Cohen (1988) Werte ab 0,2 als kleine Effekte, Werte ab 0,5 als mittlere Effekte und Werte ab 0,8 als große Effekte bewertet. Zur Beschreibung der Klassenzusammensetzungen in den beiden Schulformen werden zusätzlich Mittelwertvergleiche auf Klassenebene und entsprechende Varianzen dargestellt. In diesen Analysen werden für allgemeine Schulen sowohl Kinder mit SPF in den Förderschwerpunkten LSE einbezogen als auch Kinder ohne SPF, so wie sie im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts in einer Klasse unterrichtet werden.

Im nächsten Schritt wird in Mehrebenenanalysen geprüft, ob bei Schülerinnen und Schülern mit SPF zwischen den verschiedenen kompetenzbezogenen Variablen auf individueller und Klassenebene ein Zusammenhang zur sozialen Integration besteht. Die Modelle werden getrennt für die Kompetenzen im Lesen und in Mathematik berechnet, da die entsprechenden Variablen sonst zu stark konfundieren. In diesen random-intercept-Modellen werden nur Schülerinnen und Schüler mit SPF betrachtet, um den Unterschied dieser Gruppe in den beiden Schulformen bestimmen zu können. Die Berechnung erfolgt im Statistikprogramm R (R Core Team 2019) mit den Paketen lme4 (Bates et al. 2015), MuMIN (Bartoń 2018), mice (Van Buuren 2007; Van Buuren und Groothuis-Oudshoorn 2011), miceAdds (Robitzsch und Grund 2020) und eatRep (Weirich et al. 2019). Zur Überprüfung, ob sich die Steigungskoeffizienten zweier Modelle signifikant voneinander unterscheiden, wurden Z‑Tests verwendet (Clogg et al. 1995).

4 Ergebnisse

In Tab. 1 sind die deskriptiven Verteilungen der Mittelwerte (M) sozialer Integration, des z‑standardisierten HISEI, der z‑standardisierten Lese- und Mathematikkompetenzen, des Geschlechts und des Alters sowie die Stichprobengrößen der Schülerinnen und Schüler mit SPF-LSE an allgemeinen Schulen (AS) und an Förderschulen (FS) dargestellt. Zusätzlich sind die Standardabweichungen (SD) der jeweiligen Mittelwerte angegeben. Die Abweichung an den beiden Schulformen wird durch die Mittelwertdifferenz (ΔM) gezeigt. Zur Einschätzung der Bedeutsamkeit ist Cohens d angegeben.

Tab. 1 Individuelle Merkmale der Schülerinnen und Schüler mit SPF LSE nach Schulform

Der Darstellung kann entnommen werden, dass die soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF-LSE an allgemeinen Schulen (M = 2,67) signifikant geringer ausfällt als an Förderschulen (M = 2,97). Dies kann entsprechend der Kriterien von Cohen (1988) auch als bedeutsamer Unterschied bewertet werden. Die Hypothese H1 kann somit bestätigt werden.

Weiter zeigt die Tabelle, dass Schülerinnen und Schüler mit SPF an Förderschulen (M = −0,68) einen geringeren HISEI als an allgemeinen Schulen (M = −0,52) aufweisen und dass auch die Lese- und Mathematikkompetenzen in dieser Schulform geringer ausfallen, als dies in allgemeinen Schulen der Fall ist (Lesen AS M = −1,20, FS M = −1,44; Mathematik AS M = −1,17, FS M = −1,37). Die Unterschiede der mathematischen Kompetenzen und des HISEI zwischen den Schulformen sind an dieser Stelle jedoch nicht von praktischer Bedeutsamkeit (|d| < 0,2).

Insgesamt werden mehr Jungen als Mädchen mit einem SPF sowohl an allgemeinen Schulen (61 %) als auch an Förderschulen (68 %) unterrichtet. Jungen weisen demnach häufiger einen SPF auf und werden auch etwas häufiger an Förderschulen als an allgemeinen Schulen unterrichtet (vgl. auch Kölm et al. 2017).

Es zeigt sich schließlich, dass Schülerinnen und Schüler mit SPF in der vierten Jahrgangstufe an Förderschulen älter sind (11,96 Jahre) als an allgemeinen Schulen (10,91 Jahre). Der Altersunterschied beträgt im Durchschnitt etwas mehr als ein halbes Jahr.

In Tab. 2 sind die Klassenzusammensetzungen hinsichtlich der mittleren Lese- und Mathematikkompetenzen, des mittleren HISEI und jeweils deren Varianzen an allgemeinen Schulen und Förderschulen dargestellt. Des Weiteren sind jeweils die Differenzen zwischen den beiden Schulformen und die Bedeutsamkeit unter Hinzunahme der Effektstärke Cohens d angegeben. An allgemeinen Schulen sind hier Angaben von Schülerinnen und Schülern mit und ohne SPF enthalten, um die Zusammensetzung in den Schulklassen abzubilden.

Tab. 2 Klassenzusammensetzungen der Lese- und Mathematikkompetenzen und deren Varianzen sowie des HISEI nach Schulform

Die Darstellung zeigt erwartungsgemäß, dass Klassen an allgemeinen Schulen leistungsstärker sowohl im Lesen (ΔM = 1,56*) als auch in Mathematik (ΔM = 1,50*) sind und bezüglich dieser Kompetenzen auch heterogener sind als Klassen an Förderschulen (Varianzen: Lesen ΔM = 0,08*; Mathematik ΔM = 0,06*). Die Unterschiede zwischen den Schulformen in den Mittelwerten und der Varianzen der Lese- und Mathematikkompetenzen sind statistisch bedeutsam. Zudem fällt auch der HISEI in Förderschulklassen (M = −0,68) signifikant niedriger aus als in Klassen allgemeiner Schulen (M = 0,01). Die Varianz des HISEI an allgemeinen Schulen ist signifikant höher als an Förderschulen (ΔM = 0,24*).

Um die Hypothesen 2 und 3 zu prüfen, sind im folgenden Regressionsmodelle unter Einbeziehung der individuellen Ebene (L1) und der Klassenebene (L2) dargestellt. In Tab. 3 und 4 sind diese regressionsanalytischen Mehrebenenmodelle unter schrittweiser Hinzunahme von erklärenden Variablen dargestellt. In einem Nullmodell kann zunächst gezeigt werden, dass ca. 9,6 % der Varianz der wahrgenommenen sozialen Integration der Schülerinnen und Schüler mit SPF in den Förderschwerpunkten LSE auf Unterschiede zwischen den Klassen zurückzuführen sind.

Tab. 3 Soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF; Lesekompetenz
Tab. 4 Soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF; Mathematikkompetenz

Die jeweils erste Spalte in Tab. 3 und 4 zeigt an, welche unabhängigen Variablen zur Erklärung der Unterschiede der abhängigen Variable (soziale Integration) betrachtet wurden. In den Zeilen der beiden Tabellen ist jeweils der Steigungskoeffizient β der unabhängigen Variable im entsprechenden Modell aufgeführt. In Tab. 3 sind Modelle unter Einbeziehung der Lesekompetenzen auf individueller- und Klassenebene dargestellt. Tab. 4 bezieht sich auf Mathematikkompetenzen. Die Nullmodelle in den beiden Tabellen sind identisch, die doppelte Darstellung erfolgte aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit.

Wie in den Modellen 1 bis 6 der Tab. 3 und 4 zu sehen ist, schätzen Schülerinnen und Schüler mit SPF an Förderschulen ihre soziale Integration höher ein, als dies an allgemeinen Schulen der Fall ist. Die Hypothese H1 kann demnach nicht nur bivariat (vgl. Tab. 1), sondern auch unter Konstanthaltung anderer Variablen (vgl. Tab. 3 und 4) bestätigt werden. Dieser Befund ist auch nach Kontrolle der Lese- und Mathematikkompetenz auf individueller Ebene stabil. Auffällig ist hier darüber hinaus, dass die Mathematikkompetenz, nicht jedoch die Lesekompetenz, auf individueller Ebene negativ mit der sozialen Integration zusammenhängt; höhere Kompetenzen gehen demnach mit einer niedrigen sozialen Integration einher (vgl. Tab. 3, Modelle 2 und 3; Tab. 4 Modell 5 und 6). Weiterhin lässt sich der Befund der unterschiedlich wahrgenommenen sozialen Integration in den beiden Schulformen nicht durch die individuelle Kompetenz in Lesen oder Mathematik aufklären. Die Steigungskoeffizienten des Prädiktors Förderschule der Modelle 1 und 2 sowie der Modelle 4 und 5 unterscheiden sich im Z‑Test nicht signifikant. Die Hypothese H2 muss daher abgelehnt werden.

Die Maße für die Heterogenität, die Varianzen der Lese- und Mathematikkompetenz auf Klassenebene unter Kontrolle der entsprechenden individuellen Werte sind in den Modellen 3 und 6 nicht signifikant (vgl. Tab. 3 und 4) und liefern keine zusätzliche Aufklärung bezüglich der sozialen Integration. Die Hypothese H3.1 muss daher abgelehnt werden. Die Variablen zur Beschreibung der Heterogenität erklären weiterführend auch nicht die höhere soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF an Förderschulen, weshalb die Hypothese H3.2 ebenfalls nicht bestätigt werden kann. Die Steigungskoeffizienten für die Schulform ändern sich nicht signifikant, wenn die Varianz schulischer Kompetenzen der Klasse berücksichtigt wird (vgl. Tab. 3b und Tab. 4d).

Die Gesamtvarianzaufklärung der Modelle (ohne Nullmodell) liegt zwischen 9,1 und 9,7 % (R2 conditional), wobei auf die jeweiligen unabhängigen Variablen zwischen 4,8 % und 5,8 % (R2 marginal) der Varianzaufklärung zurückgehen.

Wie zudem vertiefende Analysen ohne Darstellungen an dieser Stelle zeigen, gibt es keine differenziellen Effekte zwischen den Schulformen und den Kompetenzen. Die Kompetenzen in Lesen und in Mathematik haben an Förderschulen den gleichen Einfluss wie an allgemeinen Schulen. Zudem haben wir in weiteren vertiefenden Analysen das Kriterium zur Erfassung von sonderpädagogischem Förderbedarf variiert, da in den Bereichen LSE Schülerinnen und Schüler teilweise ohne Feststellungsverfahren sonderpädagogisch gefördert werden (Gresch et al. 2017). Die zentralen Befunde dieser Studie bleiben auch bestehen, wenn zur Operationalisierung des Förderbedarfs das Kriterium der tatsächlichen sonderpädagogischen Förderung verwendet wird.

5 Zusammenfassung und Diskussion

Zusammenfassend haben wir in diesem Beitrag untersucht, inwiefern sich die wahrgenommene soziale Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF in den Förderschwerpunkten LSE zwischen Förderschulen und allgemeinen Schulen unterscheidet und ob die schülerindividuelle Lese- bzw. Mathematikkompetenz sowie die Heterogenität dieser Kompetenzen in der Klasse potenziell bestehende Unterschiede erklären können. Auf Grundlage der Daten des IQB-Bildungstrends 2016 konnten wir zeigen, dass sich die soziale Integration zwischen den Schulformen unterscheidet und diese an Förderschulen höher ausgeprägt ist als an allgemeinen Schulen. Die Unterschiede in der sozialen Integration zwischen den Schulformen bleiben auch bestehen, wenn die individuellen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Lesen und in Mathematik berücksichtigt werden. Zudem sind Klassen an allgemeinen Schulen heterogener bezüglich der Lese- und Mathematikkompetenzen als Förderschulklassen. Diese Heterogenität von Klassen bezüglich der Lese- und auch Mathematikkompetenz hängt jedoch nicht mit der sozialen Integration zusammen und erklärt daher auch nicht die unterschiedliche soziale Integration in den Schulformen.

Unsere Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass die geringer wahrgenommene soziale Integration der Schülerinnen und Schüler mit SPF an allgemeinen Schulen nicht allein auf leistungsbezogene Merkmale zurückzuführen ist. Zwar sind die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler mit SPF an Förderschulen sowohl im Lesen als auch in Mathematik geringer ausgeprägt, die soziale Integration an Förderschulen jedoch höher als an allgemeinen Schulen.

Die Studie liefert auch Hinweise darauf, dass sich Kinder mit SPF-LSE mit höheren Mathematikkompetenzen weniger sozial integriert fühlen. Dieser Befund ist überraschend, da er sich zum einen nur für die Mathematikkompetenz, nicht jedoch für die Lesekompetenz zeigt, und sich andererseits auch nicht mit bisherigen Studien deckt, die Zusammenhänge zwischen hohen Leistungen und einer hohen sozialen Integration finden (Haeberlin et al. 2003; Huber 2006). Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass für die Wahrnehmung der sozialen Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF die eigenen Kompetenzen eine untergeordnete Rolle spielen. Hinweise darauf finden beispielsweise Georges et al. (2018) für die Einschätzung des akademischen Selbstkonzeptes in inklusiven Settings. Dies scheint von der tatsächlichen Leistungsentwicklung entkoppelt zu sein. Ob eine solche Entkopplung der Einschätzung der sozialen Integration von den tatsächlich erreichten Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler mit SPF auch für soziale Integration anzunehmen ist, muss jedoch weiterführend noch untersucht werden.

Unsere Studie hat verschiedene Limitationen. Eine ist, dass die querschnittlich gefundenen Zusammenhänge mit den zugrundeliegenden Daten nicht kausal interpretiert werden können. Zudem haben wir uns bei der Operationalisierung der sozialen Integration bewusst für die von den Schülerinnen und Schülern selbst wahrgenommene Einbindung in die Klasse entschieden, um einem Indikator für Teilhabe aus der Schülerinnen- und Schülerperspektive möglichst nahe zu kommen. Hier könnte auch argumentiert werden, dass sich Teilhabe und soziale Integration erst über Interaktionen und tatsächlich gelebte Kontakte mit anderen zeigt. Wählt man einen anderen Zugang zum Thema, könnten auch die Ergebnisse abweichen, denn wenn Kinder sich eingebunden fühlen bedeutet dies nicht, dass sich dies auch in realen Interaktionen oder Freundschaften niederschlägt.

Als weitere Limitation muss zudem aufgeführt werden, dass wir aufgrund der Stichprobengröße die Förderschwerpunkte LSE als gemeinsame Gruppe betrachtet haben. Vor allem bezüglich des Förderschwerpunktes emotionale und soziale Entwicklung kann argumentiert werden, dass gerade Schwierigkeiten des sozial angemessenen Verhaltens Kern der Herausforderungen der Kinder mit dieser Diagnose sind und sie damit besonders von Ausgrenzung betroffen sein können. Für weitere Studien ist es somit wünschenswert, die Förderschwerpunkte differenziert zu betrachten.

Aufgrund der Anlage der Datenerhebung des IQB-Bildungstrend 2016 kann zudem die Klassenbestimmung in Förderschulen als Limitation aufgeführt werden. Aufgrund der Herausforderung, dass an Förderschulen alle Schülerinnen und Schüler der Förderschwerpunkte LSE, die zudem mindestens ein Jahr in deutscher Sprache unterrichtet wurden und selbstständig in der Lage waren den Test durchzuführen, in die Datenerhebung eingingen und nicht wie an allgemeinen Schulen, vollständige Klassen, ergaben sich teilweise sehr kleine Klassengrößen mit einer selektiven Auswahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler. Um den Klassenkontext abbilden zu können, bezogen wir nur Klassen mit mindestens vier Kindern in die Analysen ein. Die Festlegung dieser Mindestgröße ist dabei durchaus diskutabel, wenngleich verschiedene geprüfte andere Kriterien die Ergebnisse nicht wesentlich beeinträchtigt haben. Unabhängig davon könnte allerdings der Ausschluss der genannten anderen Schülerinnen und Schüler, die Validität der Merkmale zur Leistungsheterogenität in den Förderschulklassen einschränken. Wenn auch Kinder anderer Förderschwerpunkte als LSE, Kinder die ohne weitere Unterstützung nicht in der Lage sind selbstständig einen Test zu bearbeiten und Kinder die weniger als ein Jahr in deutscher Sprache unterrichtet wurden, ebenfalls für die Aggregierung der Klassenleistung und -varianz zur Verfügung gestanden hätten, könnte eine geringere Klassenleistung und eine höhere Varianz angenommen werden. In unseren Analysen konnten keine signifikanten Zusammenhänge der mittleren Klassenleistung und -varianz im Lesen und in Mathematik und der sozialen Integration gefunden werden. Dieser Zusammenhang könnte jedoch höher und bedeutsam sein, als mit den vorliegenden Daten gezeigt werden konnte.

Für die soziale Integration in einer Klasse können im Allgemeinen auch sozial-emotionale Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler eine Rolle spielen. So zeigen ausgegrenzte Schülerinnen und Schüler, im Gegensatz zu denen die nicht ausgegrenzt werden, häufiger Probleme im Bereich des aggressiven Verhaltens, ein verstärktes soziales Rückzugsverhalten und schwächere soziale Kompetenzen (Kavale und Forness 1996; Newcomb et al. 1993). In einer kanadischen Studie konnten zudem für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in inklusiven Settings bessere sozial-emotionale Kompetenzen und eine positivere Selbstwahrnehmung als in segregierenden Settings gezeigt werden (Wiener und Tardif 2004). Da die in dieser Studie untersuchten Schülerinnen und Schüler nur die Hälfte eines Schultages in einer separaten Gruppe verbrachten, somit halbtags gemeinsam im Regelunterricht beschult wurden und sich dieses Setting demnach an der gleichen Schule befand, ist eine direkte Übertragbarkeit auf den deutschen Kontext nicht gewährleistet. Es gibt bereits weitere Befunde die zeigen, dass Kinder mit SPF der Förderschwerpunkte Sehen, Hören und Geistige Entwicklung an allgemeinen Schulen über bessere exekutive Kompetenzen, also Regulations- und Kontrollmechanismen für ein ziel- und situationsorientiertes Handeln (Konrad 2007), verfügen, als Kinder an Förderschulen (Hintermair et al. 2014). Zudem konnte in dieser Studie ein Zusammenhang der Ausprägung dieser exekutiven Funktionen, sowie von kommunikativen Kompetenzen, mit sozial-emotionalen Auffälligkeiten gefunden werden. Ob Zusammenhänge zwischen geringeren sozial-emotionalen Kompetenzen bei ausgegrenzten Schülerinnen und Schülern mit SPF der Förderschwerpunkte LSE auch zu Unterschieden in der sozialen Integration zwischen Förder- und allgemeinen Schulen führen, muss hingegen noch untersucht werden. Mit unserer Studie wollen wir den Diskurs zu einem aus der UN-Behindertenrechtskonvention ableitbaren Ziel, die soziale Integration in der Schule, erweitern und beziehen hierzu vorrangig Befunde zum schulischen Kontext ein. Darüber hinaus gibt es jedoch auch Studien, die die allgemeine Lebenszufriedenheit von Schülerinnen und Schülern betrachten (z. B. Rathmann et al. 2018 für Förderschulen).

Zur Erklärung der Unterschiede der sozialen Integration zwischen den Schulformen kommen zudem weitere Zusammenhänge in Frage, die in dieser Studie nicht berücksichtigt wurden. Inklusive Schulklima, welches sich auch auf die soziale Integration von Schülerinnen und Schüler auswirken kann, ist auch bedingt durch gesellschaftlich und politischen Rahmenbedingungen, die institutionelle Umgebung und Ausstattung der Schule sowie die innere Struktur der Schule (Urton et al. 2018). Unterscheiden sich die genannten Bedingungen an den Schulformen, können unsere Ergebnisse auch durch solche schulstrukturelle Faktoren mitbedingt sein. In diesem Zusammenhang argumentieren auch Lütje-Klose et al. (2018), dass nicht allein die formalen Zuweisungen zum Fördersetting, sondern vielmehr proximale Faktoren, wie die Ausstattung der Schulen, das Wohlbefinden und die soziale Integration der Schülerinnen und Schüler im besonderen Maße begünstigen. Bezüglich politischer und institutioneller Rahmenbedingungen sind vor allem die Diagnose des sonderpädagogischen Förderbedarfes und die Zuweisungsmechanismen zu unterschiedlichen Schulformen zu nennen, die sich zwischen den einzelnen Ländern unterscheiden (vgl. Sälzer et al. 2015). Ein Verfahren zur Diagnose eines sonderpädagogischen Förderbedarfes wird häufig nicht nur zur Identifizierung der Schülerinnen und Schüler, welche einer solchen Förderung bedürfen angestoßen. Vielfach ist auch die Verteilung von Ressourcen an die Anzahl von mit SPF diagnostizierten Schülerinnen und Schüler einer Klasse beziehungsweise Schule geknüpft. Andererseits gibt es zur Umsetzung einer gelingenden Inklusion Aller auch Bestrebungen vollständig auf entsprechende Diagnosen zu verzichten, vor allem um Stigmatisierung zu vermeiden. Grundsätzlich ist eine Kategorisierung zwar umstritten (Neumann und Lütje-Klose 2020), allerdings gehen wir davon aus, dass eventuelle falsche Kategorisierungen nicht systematisch mit unserem Forschungsgegenstand der sozialen Integration in der Klasse zusammenhängen, sondern zufällig in der Stichprobe vorkommen. Entsprechend sollten die Ergebnisse dadurch maximal abgeschwächt, nicht aber verzerrt werden.

Darüber hinaus unterscheiden sich die Länder generell in der Organisation schulischer Inklusion (Blanck 2015) und auch innerhalb der Länder gibt es Unterschiede zwischen den Schulen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung (vgl. Gresch et al. 2020). Es ist auch bekannt, dass sich die sozialen Integration von Schülerinnen und Schüler zwischen Schulen unterscheidet (vgl. Huber und Wilbert 2012). Im Rahmenmodell zur Förderung sozialer Integration zeigt Huber (2019) auf, dass Kontakte zwischen den Schülerinnen und Schülern untereinander eine Rolle für die soziale Integration spielen und dass die Unterrichtsgestaltung und Lehrkräftefeedback unterstützend dabei wirken können. Einige Studien fanden bereits Zusammenhänge zwischen Lehrkräfterückmeldungen an die Schülerinnen und Schüler und deren sozialer Integration in der Klasse (Chang 2004; Huber 2011, 2019). Ob die in unserer Studie gefunden Unterschiede zwischen Förderschulen und allgemeinen Schulen auf solche länderspezifischen Gegebenheiten oder weitere schulstrukturelle Faktoren zurückgeführt werden können, wurde in den Analysen nicht untersucht. Hier könnten weitere vertiefende Studien ansetzen.

In diesem Beitrag haben wir den Zusammenhang zwischen der Beschulung von Kindern mit SPF an Förderschulen oder allgemeinen Schulen und deren sozialer Integration untersucht. Der Weg zur sozialen Integration von Kindern und Jugendlichen mit SPF in die Gesellschaft durch den Unterricht an allgemeinen Schulen ist im Schulalltag noch nicht durch eine soziale Integration dieser Schülerinnen und Schüler geprägt. Wir haben in diesem Zusammenhang feststellen können, dass weder die individuellen Leistungen noch die leistungsbezogene Zusammensetzung der Klassen erklären, warum sich Schülerinnen und Schüler mit SPF an Förderschulen besser sozial integriert fühlen als an allgemeinen Schulen. Vor allem an allgemeinen Schulen müssen daher die Beziehungen der Kinder und Jugendlichen untereinander gestärkt werden, damit sich Schülerinnen und Schüler mit SPF dort gleichsam integriert fühlen wie an Förderschulen.

Entsprechend sollten weitere schulalltagsbeeinflussende Faktoren, insbesondere auch Lehrkräfteverhalten und -einstellungen, im Fokus weiterer Forschungsbemühungen stehen. So bedarf es vertiefende Studien, die aufzeigen, welche Mechanismen im Allgemeinen Prozesse sozialer Integration im Schulalltag von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf beeinflussen. Im Zuge dessen könnte hinterfragt werden, ob sich spezielle Aktivitäten oder Strukturen an Förderschulen identifizieren lassen, die im besonderen Maße soziale Integrationsprozesse begünstigen, um anschließend Interventionsstudien zu deren Implementation und Evaluation an allgemeinen Schulen anzustoßen.